Entrepreneurship ist ein essenzielles Element einer dynamischen Wirtschaft und spielt eine bedeutende Rolle in der Förderung von Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Österreich verfügt bereits über ein entwickeltes Ökosystem für Startups und Unternehmertum. Dennoch gibt es noch ungenutzte Möglichkeiten, um das volle volkswirtschaftliche Potenzial auszuschöpfen und weiteres Wachstum zu fördern. Insbesondere durch die Förderung von gesteuerter Migration zeigen sich – wissenschaftlich belegt – erhebliche Chancen für unser Land.
Migration ist seit Jahrzehnten ein politisches Dauerthema in der EU und Österreich, wobei ein wichtiger Faktor in der Diskussion oft ausgeblendet wird: die positiven volkswirtschaftlichen Aspekte. So sind etwa Migrant:innen häufiger Startup-Unternehmer:innen als Österreicher:innen und schaffen dadurch Wertschöpfung, Innovation und Arbeitsplätze. Im Rahmen des eXplore! Talks an der Wirtschaftsuniversität Wien wurde dieser Aspekt sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus unternehmerischer Perspektive beleuchtet.
Eröffnet wurde die Veranstaltung von WU-Rektor Rupert Sausgruber, der betonte: „Angesichts der komplexen Herausforderungen, die mit Migration einhergehen, ist es von entscheidender Bedeutung, sich dem Thema evidenzbasiert und aus wissenschaftlicher Perspektive anzunehmen.“ Genau hier setzt die eXplore! Forschungsinitiative an, indem sie darauf abzielt, Forschungserkenntnisse und deren Potenziale besser zu nutzen und eine stärkere Verbindung zwischen wissenschaftlicher Theorie und wirtschaftlicher Praxis herzustellen.
Michael Tojner, einer der beiden Fördergeber, verwies anschließend auf die Notwendigkeit der Zuwanderung für gesellschaftlichen Fortschritt und Wirtschaftswachstum, ein besonderes Anliegen, das die eXplore! Forschungsinitiative greifbar und verständlich machen möchte.
Es wurde darüber diskutiert, welche Potenziale sich durch Migration für Wirtschaft und Gesellschaft ergeben. Judith Kohlenberger, Kulturwissenschafterin mit Schwerpunkt Migrationsforschung an der Wirtschaftsuniversität Wien, erklärte: „Diverse Untersuchungen belegen, dass geflüchtete Menschen im Vergleich zur österreichischen Durchschnittsbevölkerung eine überaus ausgeprägte Neigung zur Unternehmensgründung aufweisen.“
Head of Startup Services an der Wirtschaftskammer Wien, Kambis Kohansal Vajargah, ergänzte: „Im heimischen Startup Bereich haben etwa ein Viertel der Gründer:innen Migrationshintergrund. Vor allem sehen wir, dass Gründer:innen mit Migrationshintergrund einen stärkeren Antrieb verspüren, zu expandieren und sich international zu etablieren als jene ohne Migrationshintergrund.“
Peter Vandor, Direktor des Social Entrepreneurship Centers an der Wirtschaftsuniversität Wien, wies darauf hin, dass der Migrationsprozess an sich bereits eine wertvolle Unterstützung am Weg ins Unternehmertum darstellt: „Die reichhaltigen interkulturellen Erfahrungen, die durch Migration gewonnen werden, führen zu besseren Geschäftsideen und einer ausgeprägten Tendenz, das eigene Umfeld nach neuen Geschäftsfeldern zu durchleuchten – ein Phänomen, das in der Wissenschaft auch als “Entrepreneurial Alertness“ bekannt ist.“
Einer, der bereits vor seiner unternehmerischen Laufbahn Resilienz bewiesen hat, ist Sergiu Ardelean, CEO & Co-Founder des Augmented Reality Startups Artivive. Er wanderte Anfang der 2000er Jahre nach Österreich aus, da er in seinem Heimatland Rumänien keinen passenden Studiengang fand: „Ich recherchierte damals im Telefonbuch nach geeigneten Studienorten und stieß zu oberster Stelle auf die Adresse der Österreichischen Botschaft. Also bin ich dort hingefahren und habe mich bis zum Kulturattaché vorgekämpft, der mir eine geeignete Fachhochschule empfohlen hatte. So landete ich schließlich in Hagenberg im Mühlkreis und begann Medientechnik und Design zu studieren.“
Dieses Verhalten ist laut Nikolaus Franke, Direktor des Instituts für Entrepreneurship & Innovation an der Wirschaftsuniversität Wien, ein fundamentales Element des Unternehmertums: „Als Unternehmer:in hat man mit Gegenwind und permanentem Widerstand zu kämpfen. Diese Herausforderungen spiegeln sich auch in den Erfahrungen vieler Migrant:innen wider, ob auf sprachlicher, kultureller, gesellschaftlicher oder bürokratischer Ebene. Die Fähigkeit, diesen Widerständen zu trotzen, zeugt nicht nur von Unternehmergeist, sondern auch von Stärke und Resilienz.“
Die aus Arizona stammende Julie Rosser, die 2019 mit ihrem Startup Pregenerate in Österreich Fuß fasste, verwies abschließend darauf, dass Migrant:innen sowohl die Unternehmenskultur als auch den Innovationsprozess bereichern: „Wir verfügen über ein kulturell diverses Team, was wir als klaren Vorteil erachten. Die Vielfalt unserer Perspektiven bereichert unsere Arbeitsweise erheblich. Durch unterschiedliche kulturelle Hintergründe und Erfahrungen bringen wir verschiedene Methoden und Herangehensweisen ein, die zu innovativen Lösungen führen.“
Im Gegensatz zu den oft emotional aufgeladenen politischen Debatten, in denen verschiedene Standpunkte aufeinanderprallen, zeichnete sich der eXplore! Talk vor allem durch eine faktenbasierte und positiv ausgerichtete Diskussion rund um das Thema Migration aus.
Die gesamte Veranstaltung kann hier als Podcast nachgehört werden:
Dieser Beitrag gehört zum Projekt Migration und Wirtschaftswachstum.