Als Direktor des WU Gründungszentrums und Co-Autor des Austrian Startup Monitor kennt Rudolf Dömötör das österreichische Gründer*innen-Ökosystem wie kaum ein anderer. Im Interview erklärt er, was die heimische Startup-Szene ausmacht – und wo es Aufholbedarf gibt.
Im Austrian Startup Monitor beleuchtet das WU Gründungszentrum gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology und AustrianStartups einmal jährlich das österreichische Startup-Ökosystem. Wie lange gibt es den Startup Monitor mittlerweile?
Es gibt bereits fünf Ausgaben – wir feiern also gerade ein Jubiläum. Wir haben 2018 den ersten gemacht und arbeiten derzeit an der Auswertung für den Austrian Startup Monitor 2024, der Ende März erscheinen wird.
Wie hat sich die österreichische Startup-Szene in diesen fünf Jahren entwickelt?
Grundsätzlich sehen wir eine zunehmende Professionalisierung im Sektor, das Startup-Ökosystem wird also erwachsener. Gewisse Probleme sehen wir aktuell aber in der Gründungsdynamik: In den 2010er-Jahren gab es ein durchaus dynamisches Wachstum des Sektors. Doch seit 2019 stellen wir fest, dass die Anzahl der jährlichen Gründungen stagniert oder sogar leicht zurückgeht. Da ist das Ökosystem und auch die Politik gefordert, zu überlegen, wie die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden können.
Hat hier – wie in so vielen Sektoren – die Coronakrise eine Rolle gespielt?
Zu einem gewissen Grad natürlich ja, wie auch das aktuell sehr herausfordernde Finanzierungsumfeld für Startups eine Herausforderung darstellt. Doch die Gründe sind vielschichtiger. Ein Aspekt könnte sein, dass in den 2010er Jahren zahlreiche öffentliche und private Initiativen für Startups entstanden sind. Dadurch hat das Thema einen gewissen Push bekommen, der nun etwas zurückgeht. Diese Zeit war auch geprägt davon, dass das Thema eine gewisse Hipness entwickelt hat: Das Gründen von Startups wurde zunehmend als coole Karriereoption erkannt. Doch auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich verändert. Wenn Leute sich heute fragen, ob sie ein Startup gründen oder lieber einen vermeintlich sicheren Job in einem Konzern annehmen, dann schlägt das Pendel oftmals in Richtung Konzern aus.
Mit welcher Motivation gründet man dann überhaupt noch ein Startup?
Das mit großem Abstand wichtigste Gründungsmotiv liegt darin, die eigene Idee zu verwirklichen oder ein Problem zu lösen. Wir sehen, etwa jedes zweite Startup einen Fokus auf Impact hat. Das heißt, dass es dabei um die Lösung von sozialen oder ökologischen Problemen geht. Und genau das ist auch für potenzielle Mitarbeiter*innen ein großes Thema: dass man etwas mit Sinn machen und die Welt ein kleines Stück besser machen kann. Gerade für junge Leute ist das ein entscheidender Faktor – wobei man hier sagen muss, dass das klischeehafte Bild von den Anfang 20-jährigen Startup-Gründer*innen so nicht stimmt: Tatsächlich sind zwei Drittel der Gründer*innen über 30.
Wie wählen Sie die Unternehmen für den Startup Monitor eigentlich aus?
Es ist ja nicht jedes neu gegründete Unternehmen automatisch ein Startup. Einerseits hat die Definition eine zeitliche Komponente: Die Gründung darf maximal zehn Jahre zurückliegen. Andererseits muss sie auf Basis einer Innovation erfolgen – beim Produkt oder auch beim Geschäftsmodell. Und ganz wesentlich ist auch der Wachstumsfokus. Das heißt, das Unternehmen verzeichnet ein starkes Wachstum oder plant, in Zukunft stark zu wachsen.
Auf wie viele Unternehmen in Österreich trifft diese Definition zu?
Insgesamt wurden seit 2011 rund 3.300 Startups gegründet. Die Zahl der Neugründungen hat sich auf etwa 360 im Jahr eingependelt. In Österreich gibt es also etwa ein neues Startup pro Tag.
Wie schlägt sich Österreich damit im Vergleich zu anderen Ländern?
Das ist leider schwer zu sagen, weil es kaum in einem anderen Land eine Datenbasis wie den Austrian Startup Monitor gibt. Es gibt zwar einige Staaten, die ähnliche Datenerhebungen machen, dort werden die Gründungszahlen aber nicht immer veröffentlicht. Gefühlt ist Österreich gut unterwegs und hat in den letzten Jahren eine positive Entwicklung vollzogen. Trotzdem gibt es im Vergleich zu den wirklich starken Startup-Nationen immer noch einen Gap, auch wenn Österreich selbst im Vergleich zu diesen Ländern als Startup-Standort sehr viel zu bieten hat.
Welche Punkte sprechen derzeit für Österreich als Gründungsort?
Wir haben ein ausgezeichnetes universitäres Bildungssystem und damit einen großartigen Pool an klugen Köpfen, kreativen Ideen und Forschungsergebnissen als Basis für Innovationen. Und wir bieten eine hohe Lebensqualität bei leistbaren Lebenserhaltungskosten. Und auch bei den Fördermöglichkeiten spielen wir ganz vorne mit. Wir sind tatsächlich Weltmeister, wenn es darum geht, Startups in der Frühphase finanziell zu unterstützen. Seit 1. Jänner 2024 gibt es außerdem eine neue Rechtsform für Startups, die Flexible Kapitalgesellschaft. Fast noch wichtiger als die neue Rechtsform ist aber eine andere Neuerung, die gleichzeitig beschlossen wurde: die Neugestaltung von Mitarbeiter*innenbeteiligungen.
Was hat sich hier konkret geändert?
Bisher gab es in Österreich das Problem der so genannten Dry-Income-Besteuerung: Wenn man Mitarbeiterbeteiligungen ausgegeben hat und der Wert des Unternehmens stieg durch eine neue Finanzierungsrunde, dann wurde das besteuert, obwohl die Mitarbeiter*innen noch kein Geld gesehen hatten. Und wenn der Unternehmenswert wieder sank, haben diese Leute durch die Finger geschaut. Dieses Problem konnte jetzt zum Glück gelöst werden.
Ein anderes Problem, das derzeit anscheinend alle Branchen betrifft, ist Fachkräftemangel. Haben Startups auch damit zu kämpfen?
Definitiv. Und wie schon angesprochen wird das dadurch verstärkt, dass der Arbeitsmarkt derzeit hart umkämpft ist. Startups stehen hier im Wettbewerb mit etablierten Unternehmen, die größere Reputation haben und auch höhere Gehälter zahlen können. Umso wichtiger ist darum die Neugestaltung der Mitarbeiter*innenbeteiligung, die spezifisch auf Startups und innovative KMU ausgerichtet wurde. Dadurch gibt es einen finanziellen Anreiz. Viele sagen sich vielleicht, mein Gehalt ist zwar ein bisschen niedriger als anderswo, aber ich habe dafür die Chance auf den Jackpot.
Was bringt es einem Land wie Österreich überhaupt, sich so um Startups zu bemühen?
Startups sind jene Unternehmen, die den technologischen und gesellschaftlichen Wandel besonders gut vorantreiben können. Sie sind keine riesigen Ozeandampfer, sondern Speedboote, wo man Dinge ausprobieren und experimentieren kann. Damit unterstützen Startups letztlich die Transformation der gesamten Wirtschaft. Und deshalb ist es für jeden Wirtschaftsstandort sinnvoll, sich zu fragen: Wo sind die verrückten Leute mit den verrückten Ideen, aus denen vielleicht einmal etwas Großes werden kann? Diese Leute sind es, die einen Standort weiter voranbringen und damit Arbeitsplätze für die Zukunft sichern.
Dieser Beitrag gehört zum Projekt Interdisciplinary Entrepreneurship.